Adventsfeier im Gralzentrum Mülheim 07.12.2018
Obwohl die Vorbereitungen für unsere Adventsfeier im Gralzentrum recht früh im Kopf beginnen, merken wir bald, dass es gar nicht so einfach ist, alle Gedanken, Ideen und Gefühle der Frauen in der Vorbereitungsgruppe unter einen Hut zu kriegen. Und dann passierte auch noch ein Unglück, denn Helma Schaumburg-Lowitz, die uns bei allen Festlichkeiten mit guter Musik versorgt, fiel regelrecht ins Gralzentrum und brach sich dabei den Oberschenkel. Am gleichen Abend noch wurde sie operiert und jetzt ist sie auf dem Weg der Besserung. Auf diesem Wege denken wir an Dich, liebe Helma, und wünschen Dir baldige Genesung! Und wie wir Helma kennen, hatte sie schon im Vorfeld für begleitende Musik gesorgt, von Komponistinnen, versteht sich!
„Gaudete et exultate – Freut euch und jubelt“, das ist unser Thema in diesem Jahr. Dass nicht alle Menschen auf der Erde wirklich jubeln können, ist uns allen klar, deshalb haben wir uns Gedanken gemacht, wie wir das Eine mit dem Anderen in Verbindung bringen können. Den Einstieg haben wir aus einer Predigt von Ulrike Scheller und Matthias Lemme, beide Pastoren, entnommen:
„Es begibt sich aber zu der Zeit, dass Weihnachten werden soll. Wieder einmal. Und jedermann macht sich auf, dieses Fest zu feiern. Die meisten gehen in ihre Stadt, um bei der Familie zu sein. Erinnerungen kosten aus geschliffenen Gläser, sich der Wurzeln vergewissern. Darauf hoffen, dass alles gut ist irgendwie, friedlich, an seinem angestammten Platz. Andere bleiben, wo sie sind, weil Dinge sich auch anders ordnen lassen, weil Familien zerstreut sind – weil manche Festtagsdramaturgie unerträglich oder die Liebe flügge geworden ist.“
Die beiden Pastoren machen uns auf eine alte Tradition der katholischen Kirche aufmerksam, dass man zu Beginn der Mette das sogenannte Martyrologium singt. Wir haben versucht, diesen alten Text in unsere heutige Zeit zu übertragen:
Im Jahre 2018, nach der Geburt Jesus Christus,
- in jenem Jahr, als in Italien eine populistische Regierung gewählt wurde, deren Minister des Inneren sich mit dem Präsidenten von Ungarn stark solidarisierte, um die Flüchtlinge vor den eigenen Nationalgrenzen zu stoppen,
- in jenem Jahr, als eine Autobahnbrücke in Genua einstürzte und 43 Menschen ums Leben kamen, 550 obdachlos wurden,
- in jenem Jahr, als in Bayern die AfD bei der Landtagswahl als die drittstärkste Partei ins Parlament einzog
- in jenem Jahr, als der Austritt Großbritanniens aus der EU bevorsteht,
- in jenem Jahr, als nicht nur in USA Todesschützen in Schulen auftreten,
- in jenem Jahr, als sexuelle Gewalt in den Kirchen die Medien beherrscht,
- in jenem Jahr, als verheerende Waldbrände in Kalifornien wüten,
- in jenem Jahr, als der Hambacher Forst trotz längst beschlossenem Kohleausstieg gerodet werden soll,
- in jenem Jahr, als Hitzewellen und Unwetter in Deutschland verheerende Folgen für Landwirte und Schifffahrt verursachen,
- in jenem Jahr, als in Deutschland fremdenfeindliche Proteste und Gewalt zunehmen.
Nach einem gemeinsamen Austausch lasen wir zusammen das Magnifikat und endeten mit einem Gebet. Eine Überraschung hat uns Iris Macke von ‚Andere Zeiten‘ geschenkt. „Perspektivwechsel“ nennt sie ihren Text:
Advent heißt Warten
Nein, die Wahrheit ist
Dass der Advent nur laut und schrill ist
Ich glaube nicht
Dass ich in diesen Wochen zur Ruhe kommen kann
Dass ich den Weg nach innen finde
Dass ich mich ausrichten kann auf das, was kommt
Es ist doch so
Dass die Zeit rast
Ich weigere mich zu glauben
Dass etwas Größeres in meine Welt hineinscheint
Dass ich mit anderen Augen sehen kann
Es ist doch ganz klar
Dass Gott fehlt
Ich kann unmöglich glauben
Nichts wird sich verändern
Es wäre gelogen, würde ich sagen:
Gott kommt auf die Erde!
Überraschung? Ja, wenn Ihr den Text noch einmal von unten nach oben lest… Unsere Adventsfeier haben wir dieses Mal mit einem alten Weihnachtslied beendet: „Tochter Zion, freue dich“.
Erika Haugg